LE 1 | Perspektivwechsel

Du hast nun bereits einiges über Publikumssegmentierung und -differenzierung erfahren. Du hast Modelle und Perspektiven der Besuchenden- und Nicht-Besuchendenforschung kennengelernt und gehört, wie wichtig es ist, bei all dem auch immer die Motivation und die Bedürfnisse der Personen in den Blick zu nehmen.

Nun wird es Zeit für die Praxis! Welche Schritte kannst du konkret gehen, um dein Wissen über das (Nicht-)Publikum deiner Institution zu erweitern, den Kontakt aufzunehmen und ins Gespräch zu kommen?

Ausgehend vom „empathic turn“, den Anke von Heyl im vorangegangenen Video bereits angesprochen hat, lässt sich ein erster Schritt absolut empfehlen: Das Erstellen sogenannter Personas. Die Kulturinstitution beginnt dafür direkt mit einem Perspektivwechsel und denkt sich von Anfang an in ihre gewünschte Ziel- und Dialoggruppe hinein.

Die Personas

Die Personas – ein gängiges Verfahren aus der Produktentwicklung und dem Marketing – basieren auf der Erstellung von fiktiven Personen, die stellvertretend und repräsentativ für verschiedene Zielgruppen oder potenzielle Besuchendengruppen stehen.  

Wer sind die Menschen, die angesprochen und einbezogen werden sollen? Was tun sie? Was interessiert sie? Was sind ihre Wünsche? Und wo sind sie eventuell anzutreffen oder zu erreichen?

Personas helfen dabei, sich in das Verhalten, die Lebensweise sowie die Einstellungen und Vorlieben anderer hineinzuversetzen. Sie entstehen durch die Verknüpfung von bestehenden Daten und gewonnenen Forschungsergebnissen mit individuellen Charakteristika und Bedürfnissen. Dies schafft eine realitätsnahe Vorstellung, die als Grundlage für gezieltere Entscheidungen und neue Vorhaben dient.


Aus folgenden Bausteinen kann eine Persona modelliert werden:

Name: Fiktionaler Name, der zur Persona passen könnte.

Demografische Informationen: Informationen wie Alter, Geschlecht, Familienstand, Wohnort, berufliche Tätigkeit.

Hintergrund: Hintergrund der Persona, einschließlich ihrer Ausbildung, Erfahrungen, Interessen und Hobbies.

Ziele und Motivationen: Welche Ziele verfolgt die Persona und was motiviert sie, allgemein oder in Bezug auf die Kulturinstitution? Welche Bedürfnisse sind wichtig? Diese können emotional, funktional oder sozial sein.

Verhaltensweisen: Typische Verhaltensweisen und Gewohnheiten der Persona. Welche Kanäle und Technologien verwendet sie? Wie oft und wann interagiert sie mit der Kulturinstitution?

Bedürfnisse: Spezifische Bedürfnisse und Herausforderungen der Persona im Zusammenhang mit kulturellen Angeboten. Was sucht sie bei einem Besuch der Kulturinstitution? Welche Probleme möchte sie vermeiden?

Kommunikation: Bevorzugte Kommunikations- und Informationswege der Persona. Nutzt sie bevorzugt soziale Medien, E-Mail, Telefon oder persönliche Interaktionen?

Zitate und Bilder: Ein fiktives Lebensmotto oder ein Zitat und ein Bild machen die Persona menschlicher und greifbarer und fördern die Empathie.


Es gibt hier nicht die EINE richtige Struktur. Je nach Fragestellung oder Ziel der jeweiligen Kulturinstitution können einzelne Bausteine rausgelassen, ergänzt oder angepasst werden.

Auch der Zeitpunkt, wann die Methode zum Einsatz kommt, kann variieren. So kann die Persona bereits vor umfangreichen Befragungen und Recherchen zum Einsatz kommen. Anhand von bestehendem Wissen, vorläufigen Daten und Annahmen über die gewünschte Personengruppe wird eine vorläufige Persona – auch Ad-hoc-Persona genannt – modelliert. Sie ist in diesem Fall zwar noch recht spekulativ, kann aber als erste Annäherung oder als Diskussionsgrundlage dienen. Sie kann dazu beitragen, Ziele zu priorisieren und ein gemeinsames Verständnis der potenziellen Dialoggruppe zu entwickeln. 

Zu einem späteren Zeitpunkt, wenn weitere Recherchen in Form von (Nicht-)Besuchendenforschung durchgeführt wurden, gehören Personas auf jeden Fall mit der Realität abgeglichen und durch genaue und konkrete Einblicke in die Bedürfnisse und Verhaltensweisen der fokussierten Gruppe verfeinert. 

Ziel ist es, eine möglichst realitätsnahe und aussagekräftige Darstellung der Ziel- oder Dialoggruppe zu erreichen. Nur so können Personas wirklich dabei unterstützen, ein spezifisches neues Angebot zu erstellen und Audience-Development-Strategien voranzutreiben.


Zwei Beispiele für mögliche Personas:

Persona 1, Max Mustermann, repräsentiert eine potenzielle, typische Gruppe von Nicht-Besuchenden, die eine Kulturinstitution zukünftig als Publikum ansprechen und erreichen möchte. Die Persona hatte bisher nur wenig oder gar keine Berührungspunkte mit Kulturinstitutionen und deren Angeboten, weshalb es als eher herausfordernd angesehen wird, sie anzusprechen und in Kontakt zu kommen.

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Persona 2, Aisha Ali, steht ebenfalls symbolisch für eine Gruppe von Nicht-Besuchenden. Im Gegensatz zum ersten Beispiel zeigt diese Persona bereits ein gewisses grundlegendes Interesse an Kulturinstitutionen und deren Angeboten, konnte diesem jedoch aus verschiedenen Gründen bisher nicht nachgehen. Daher könnte es möglicherweise leichter sein, sie anzusprechen und zu erreichen.

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Handlungsaufforderung

Modelliere eine eigene Persona

Jetzt du! Modelliere nun eine eigene Ad-hoc-Persona für deine Kulturinstitution!

Du kannst dabei stellvertretend eine Gruppe des Stammpublikums, der Gelegenheits- oder auch der Nicht-Besuchenden abbilden, je nachdem, welche Herausforderung oder Fragestellung du und deine Institution verfolgen möchten. Beziehe dich dabei bestenfalls auf deine zuvor formulierte Vision. Hattest du hier bereits eine der Publikumskategorien oder vielleicht sogar schon eine etwas differenziertere Personengruppe im Blick? Falls ja, nimm diese als Ausgangspunkt, um deine Persona zu erstellen. Falls nein, überlege dir jetzt, über welche (Nicht-)Besuchsgruppe du im Zusammenhang mit deiner Vision mehr erfahren und mit wem du in Kontakt kommen möchtest.


Stelle dir dann Fragen wie:

  • Welche demografischen Merkmale zeichnen diese Persona aus? 
  • Welche Hintergrundinformationen sind wichtig, um die Lebensumstände und Erfahrungen der Persona zu verstehen?
  • Was sind die Ziele, Motivationen und Bedürfnisse dieser Persona – auch im Hinblick auf Kulturaktivitäten?
  • Welche Verhaltensmuster und Gewohnheiten hat diese Persona?
  • Welche Kommunikationskanäle bevorzugt sie?
  • Was könnte ein Lebensmotto der Persona sein?

Denke daran, dass diese Ad-hoc-Persona, beruhend auf Annahmen oder bereits bekannten Daten, lediglich ein erstes Werkzeug ist, um das Verständnis für die jeweilige Personengruppe zu verbessern. Habe daher keine Hemmungen vor dem schnellen Entwickeln von zunächst klischeehaft wirkenden Stereotypen. Im nächsten Schritt wirst du die Persona kritisch reflektieren und durch gezielte Besuchendenforschung weiter konkretisieren. 

Verwende für das Erstellen deiner Persona das sogenannte Canvas, eine Art Arbeitsblatt, das dir hilft, Gedanken und Ideen strukturiert zu erfassen. Du findest es hier und im Download-Bereich. Damit du die Vorlage gut bearbeiten kannst, handelt es sich um ein beschreibbares PDF. Dabei steht dir frei, ob du lieber eine unbeschriebene Vorlage ausdruckst, die du im Anschluss händisch beschriftest, oder ob du das PDF digital ausfüllst und dann bei Bedarf ausdruckst.

Ob digital oder analog – nimm dir für das Ausfüllen mindestens 10, aber auch nicht länger als 30 Minuten Zeit.


Tipp

Übrigens

Sollte dir das Modellieren einer eigenen Persona an dieser Stelle noch schwerfallen, nimm die Motivationstypologie nach John H. Falk zum Ausgangspunkt oder orientiere dich an den vorgestellten Sinus-Milieus. Beide Modelle haben Verhaltensweisen, Motivationen und Bedarfe von Personengruppen als Grundlage und eignen sich daher sehr gut für die Erstellung einer ersten Persona. Sollten die zwei oben gegebenen Beispiele deinen gewünschten Ziel- und Dialoggruppen entsprechen, kannst du dich natürlich auch an diesen orientieren, sie ergänzen oder anpassen und in den nächsten Lerneinheiten mit ihnen weiterarbeiten.


Tipp

Die Empathie-Brille

Wenn du das Verständnis für deine Persona weiter vertiefen möchtest, setze die Empathie-Brille auf und nutze die Empathy-Map. 

Eine typische Empathy-Map ist in vier Quadranten unterteilt: Denken, Fühlen, Sagen und Tun. Jeder Quadrant repräsentiert eine bestimmte Perspektive, die deine Persona auf deine Kultureinrichtung hat –  sei es auf ein spezifisches Angebot, den Besuch an sich oder den Kontakt mit der Institution. Im „Denken“-Quadrant werden Gedanken und Überzeugungen der Persona erfasst, im „Fühlen“-Quadrant ihre Emotionen und Gefühle. „Sagen“ beinhaltet die Worte und Aussagen, die die Persona äußern könnte, während „Tun“ das Verhalten und die Handlungen der Persona beschreibt. Es empfiehlt sich, zusätzlich auch die Felder „Gains“ (Vorteile) und „Pains“ (Herausforderungen) in die Map aufzunehmen, um Ziele, erhoffte positive Ergebnisse sowie Hindernisse und eventuelle Probleme der Persona zu verdeutlichen.

Durch das Ausfüllen der Empathy-Map kannst du ein umfassenderes Bild der Persona entwickeln und wertvolle Einblicke in das Kulturnutzungsverhalten gewinnen, die im weiteren Prozess berücksichtigt werden können.

Probiere es selbst aus und erstelle eine Empathy-Map für deine Persona. Verwende wieder das bereitgestellte Canvas als Hilfestellung – direkt hier oder über den Downloadbereich.

Falls du noch nicht genügend Daten und Informationen zu deiner spezifischen Ziel- oder Dialoggruppe hast, oder es zu diesem Zeitpunkt noch schwierig ist, das Canvas auszufüllen, behalte die Empathy-Map einfach im Hinterkopf und nutze sie zu einem späteren Zeitpunkt.