LE 1 | Forschungsperspektiven und -modelle

Im letzten Kapitel wurden dir drei grundlegende Kategorien vorgestellt, die einen guten Ausgangspunkt für die Auseinandersetzung mit dem (potenziellen) Publikum bieten. Jedoch sind diese noch viel zu allgemein. Wenn Kulturinstitutionen ein wirkliches Verständnis für ihr Publikum, einschließlich Gelegenheits-Besuchenden und Nicht-Besuchenden, entwickeln und mit ihnen ins Gespräch kommen möchten, ist es entscheidend, diese Gruppen weiter zu differenzieren.

Wer genau sind sie? Was sind ihre Perspektiven und Werte? Welche Bedürfnisse haben sie? Und in welchen Situationen können und möchten sie mit Kultureinrichtungen in Kontakt treten? Durch die Beantwortung dieser Fragen können Kulturinstitutionen ihr Publikum besser verstehen. Sie sammeln Wissen, um daraus anschließend gezielte Maßnahmen zu ergreifen.

Prozessmodell für Audience Development Strategien

Die Grafik zeigt dieses Vorgehen in einem Prozessmodell. Es besteht aus vier Handlungsschritten, die jeweils aufeinander aufbauen. Für die Entwicklung einer langfristigen Audience-Development-Strategie müssen sie als Kreislauf dauerhaft mitgedacht werden.

Schritt 1 besteht aus kontinuierlicher (Nicht-)Besuchendenforschung, d.h. es werden hier auf unterschiedliche Weise Daten erhoben und vertiefende Kenntnisse gewonnen.

Schritt 2 kontextualisiert die erhobenen Daten und interpretiert das erlangte Wissen.

Schritt 3 leitet aus den Erkenntnissen Maßnahmen ab.

Schritt 4 setzt die Maßnahmen in Form von passgenauen Angeboten um, die den individuellen Bedürfnissen und Präferenzen der fokussierten Publikumsgruppen gerecht werden.


Fokus: Besuchenden- und Nicht-Besuchendenforschung

Im Folgenden soll die Aufmerksamkeit zunächst auf dem ersten oben skizzierten Handlungsschritt liegen: der Forschung. Welche Formen der Datenerhebung gibt es hier? Welche Modelle helfen weiter und bieten Orientierung?

Die Videos geben Auskunft über verschiedene Herangehensweisen und Trends.

In Teil 1 mit Fokus auf die Besuchendenforschung.

In Teil 2 mit Blick auf die Nicht-Besuchendenforschung.

Der aktuelle Trend der Besuchenden- und Nicht-Besuchendenforschung führt weg vom Denken in breiten, wenig definierten Zielgruppen und weg vom rein Demografischen. Vielmehr wendet er sich werte- und verhaltensorientierten Perspektiven zu. 

Grundsätzlich kann aber jede Form der Datenerhebung im Rahmen des Audience-Development-Kreislaufs verwendet werden. Der Fokus kann auf der Publikumsstruktur liegen (über soziodemografische Merkmale), auf dem Kulturnutzungs- und Informationsverhalten, auf der Besuchendenmotivation oder auf besuchsverhindernden Barrieren. Die Form der Datenerhebung ist immer abhängig von der aktuellen Herausforderung einer Kulturinstitution und auch vom Status quo ihres „Publikumswissens“.


Exkurs

Schon gewusst? – Ein interessanter Side Fact

Ob es sinnvoll ist, dauerhaft freien Eintritt etwa in Museen zu gewähren, untersuchte 2019 eine Studie in Baden-Württemberg. Temporärer freier Eintritt sorgte an fünf Landesmuseen zwar für höhere Besuchendenzahlen, allerdings wirkte er sich nicht signifikant auf die Besuchendenstruktur aus. Es konnten also nicht mehr Menschen motiviert werden, die nie ein Museum besuchen, sondern es profitierte das Stammpublikum, das noch öfter kam. Allerdings wurden mit dem freien Eintritt mehr jüngere Menschen erreicht. Voraussetzung war jedoch ein bereits vorhandenes Grundinteresse. 

Nähere Einblicke in die Studie findest du hier:

» Studie zu freiem Eintritt in Museen vorgestellt